Berlin, 13. Januar 2021. Die Bewertung und Kritik an dem zum Jahresende 2020 vom Bundesumweltministerium vorgelegten Entwurf zur Umsetzung der Erneuerbare Energien-Richtlinie (2018/2001/EG – RED II) war Gegenstand der Stellungnahmen der Pressekonferenz, zu der die Veranstalter des 18. Internationalen Fachkongresses für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2021“ eingeladen hatten. Aufgrund des für den Fachkongress notwendigen digitalen Formates fand die Pressekonferenz im Vorfeld statt. Die Verbände bewerten den Entwurf grundsätzlich als wichtigen Schritt in die richtige Richtung für mehr Klimaschutz im Verkehrssektor. Der vorliegende Entwurf ist jedoch nicht ausreichend, um die heutige Treibhausgasminderung durch nachhaltige Biokraftstoffe für die Zukunft tatsächlich zu sichern und neue Kraftstoffalternativen im Markt zu etablieren. Die Biokraftstoffverbände sehen hier weiteren inhaltlichen Korrekturbedarf für die anstehende Debatte im Deutschen Bundestag. Hintergrund ist, dass die EU-Mitgliedstaaten die europäischen Vorgaben für Erneuerbare Energien (RED II) bis zum Juni 2021 in nationales Recht umsetzen müssen. Dazu hatte die Bundesregierung im Dezember 2020 den Vorschlag eines „Gesetzes zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote sowie für die Verordnung zur Festlegung weiterer Bestimmungen zur Weiterentwicklung der Treibhausgasminderungs-Quote“ vorgelegt, wie die Biokraftstoffverbände feststellen. Das Bundes-Immissionsschutzgesetz und die entsprechenden Bundes-Immissionsschutzverordnungen sollen demzufolge angepasst werden.
„Es ist positiv, dass die THG-Quote auf 22 Prozent für das Jahr 2030 erhöht wurde. Allerdings soll die THG-Quote von heute 6 Prozent mit dem Zwischenziel von 8 Prozent in 2024 deutlich zu langsam ansteigen. Erst ab 2026 ist eine beschleunigte Steigerung auf 22 Prozent im Jahr 2030 vorgesehen. Herkömmliche Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse und auch solche aus Abfällen und Reststoffen sind deshalb in den nächsten 5 Jahren stark gefährdet, weil die Gefahr besteht, dass sie durch Mehrfachanrechnungen für andere Erfüllungsoptionen etwa Ladestrom oder Wasserstoff aus der Quote und damit aus dem Markt gedrängt werden“, so Artur Auernhammer, MdB und Vorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie e.V.
Neben der verzögerten Anhebung der THG-Quote auf 22 Prozent kann auch die geplante Festlegung der Kappungsgrenze für Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse von 4,4 Prozent bis 2030 nicht überzeugen. Auch hierüber sollte noch einmal intensiv nachgedacht werden. Denn die europäischen Vorgaben erlauben eine sehr viel höhere Obergrenze, welche die Rolle der Biokraftstoffe aus Anbaubiomasse als heute wichtigste Klimaschutzkomponente im Verkehrssektor anerkennt und die weitere Bereitstellung heimischer Futtermittel als Koppelprodukt der Biokraftstoffproduktion sichert. Außerdem muss gewährleistet sein, dass dieser Anteil durchgängig zum Einsatz kommt. Dies macht eine Revisionsklausel zur kurzfristigen Anpassung der THG-Quotenhöhe erforderlich.
Besonders kritisch sehen die Biokraftstoffverbände die Mehrfachanrechnungen ausgewählter Erfüllungsoptionen auf die THG-Quote. So soll zum Beispiel Elektromobilität dreifach auf die Quote angerechnet werden. „Wir lehnen diese Mehrfachanrechnungen ab, weil sie Klimaschutz durch Rechentricks vortäuschen. In dieser Auslegungsform verliert die THG-Quote ihre Aussagekraft über reale Treibhausgaseinsparungen und den tatsächlichen Anteil erneuerbarer Energien im Verkehr“, betont Artur Auernhammer.
Um die Minderungsziele im Verkehrssektor bis 2030 erreichen zu können und um Strafzahlungen zu vermeiden, die nach der EU-Lastenteilungsverordnung (ESR) entstehen, halten die Biokraftstoffverbände folgende Schritte für die Weiterentwicklung der THG-Quote durch den Deutschen Bundestag für notwendig:
- Zunächst ist eine stufenweise Anhebung der THG-Quote von heute 6 Prozent in gleichen jährlichen Schritten auf die vorgesehenen 22 Prozent in 2030 für alternative Kraftstoffe und Antriebe erforderlich.
- Mehrfachanrechnungen sind im System der THG-Quote grundsätzlich nicht sinnvoll. Es muss weiterhin die Prämisse gelten, dass alle Erfüllungsoptionen am tatsächlichen Grad ihrer Treibhausgasminderung gemessen werden. Eine wirksame und kostenoptimierte Erfüllung der Quote ergibt sich dann im Markt und ist durch die Pönale gesichert.
- Um die Gesetzgebung flexibel auf die tatsächlichen Marktentwicklungen anpassen zu können, muss eine Revision der Regelungen spätestens alle 2 Jahre eingeführt werden.
- In der Perspektive bleibt bis zum Jahr 2030 eine Stabilisierung und stetige Ausweitung des Beitrages konventioneller, nachhaltig erzeugter Biokraftstoffe nötig. Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren werden im Bestand noch bis in die 2030er Jahre hinein dominierend bleiben und sollten den vorhandenen Klimaschutzbeitrag weiter leisten, idealerweise sogar steigern.
- Kritischen Debatten um konventionelle Biokraftstoffe kann mit der Feststellung begegnet werden, dass die EU Importquellen mit einem hohen Risiko illegaler Landnutzungsänderungen ausgeschlossen hat (Palmöl). Biodiesel aus Palmöl soll nach dem Entwurf der Bundesregierung bereits im Jahr 2026 - statt wie von der EU vorgesehen erst in 2030 - im deutschen Markt keine Rolle mehr spielen. Der Beitrag dieses Rohstoffs kann durch nachhaltig erzeugte Mengen von heimischem Biodiesel aus Raps oder Bioethanol problemlos ersetzt werden.
- Ein ambitionierter Aufwuchspfad für fortschrittliche Biokraftstoffe auf 3,5 % bis zum Jahr 2030 ist umsetzbar und sollte unbedingt vorgesehen werden (der Entwurf der Bundesregierung sieht 2,6 Prozent in 2030 vor). Eine jährliche Revision der Unterquote für fortschrittliche Biokraftstoffe ist sinnvoll, damit sich die tatsächlichen Marktentwicklungen in der Gesetzgebung widerspiegeln.
- Es sind begleitende politische Entscheidungen erforderlich, in welchen Segmenten sinnvollerweise höhere Anteile von Biokraftstoffen eingesetzt werden sollen (Schwerlastverkehr, Schiffs und Flugverkehr und in der Land- und Forstwirtschaft).
Das komplette Programm zum 18. Internationalen Fachkongress für erneuerbare Mobilität „Kraftstoffe der Zukunft 2021“ und Anmeldungen unter: www.kraftstoffe-der-zukunft.com